Text Box: Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt:
Ein neues internationales Übereinkommen 
und eine paneuropäische Aufklärungskampagne
 


Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt:

Ein neues internationales Übereinkommen

und eine paneuropäische Aufklärungskampagne

Schlüsselpunkte

-   Wissenschaftliche Studien der letzten Jahrzehnte schätzen, dass 10% bis 20% der Kinder in Europa – Mädchen und Jungen jeden Alters und jeder sozialen Schicht – in ihrer Kindheit sexuell missbraucht werden (Child sexual abuse in Europe, Council of Europe Publishing, 2003)

-   Um sexuelle Straftaten gegen Kinder zu verhindern, die Täter zu verfolgen und die Opfer zu schützen, hat der Europarat das Übereinkommen zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch verabschiedet, das 2007 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde und am 1. Juli 2010 in Kraft trat.

-   Am 29. und 30. November wird der Europarat in Rom (Italien) eine Aufklärungskampagne starten, um die Öffentlichkeit über das Ausmaß der sexuellen Gewalt gegen Kinder in ihrem Vertrauensbereich  (z. B. zu Hause, in der Schule oder im Kontext anderer Aktivitäten) aufzuklären. Sie wird auch Gelegenheit bieten, das Schweigen zu durchbrechen, das den sexuellen Missbrauch umgibt, und sicherstellen, dass alles Erdenkliche unternommen wird, um diesen Missbrauch zu verhindern.

Zusammenfassung

Der sexuelle Missbrauch von Kindern war bis vor ca. zehn Jahren ein Tabuthema. Es gab aufgrund des Schweigens der Opfer nur wenige Forschungsarbeiten über das Ausmaß und die Häufigkeit. Seither hat die Forschung neues Licht auf dieses Thema geworfen und gezeigt, dass Kinder nicht so sehr durch den lauernden Pädophilen oder den mit Süßigkeiten lockenden Fremden gefährdet sind, wie man dies allgemein angenommen hatte.

Die meisten missbrauchten Kinder kennen den Täter. Die Täter sind in der Familie und im Umfeld: Verwandte, Freunde der Familie oder Betreuer. Laut Experten sind die gemeldeten Fälle lediglich die Spitze des Eisbergs, da viele Opfer in ihrer Kindheit schweigen und glauben, es sei zu spät, darüber zu sprechen, wenn sie erwachsen sind oder sich bereit fühlen, den Täter anzuzeigen.

Die neuste Forschung schätzt, dass in 70-85% der Fälle der Täter eine Person ist, die das Kind kennt. In 90% der Fälle wird der Missbrauch nicht der Polizei gemeldet.

Seit vielen Jahren ist der Kampf gegen sexuelle Gewalt gegen Kinder durch gesetzliche, politische und Bildungsmaßnahmen eine Priorität in der Arbeit des Europarates.

Das Übereinkommen des Europarates zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch, das am 1. Juli 2010 in Kraft getreten ist, ist ein Modell für die Staaten, um alle Formen von Verstößen gegen die Grundrechte des Kindes zu verhindern und zu bekämpfen.

Fragen und Antworten

Was ist der Unterschied zwischen sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung?

Sexueller Missbrauch bedeutet, sexuelle Handlungen mit einem Kind durchzuführen, das minderjährig ist, oder wenn Zwang oder Drohungen eingesetzt werden, eine Position des Vertrauens oder der Autorität gegenüber einem Kind ausgenutzt wird, wie z. B. innerhalb der Familie, oder wenn die besondere Verletzlichkeit eines Kindes missbraucht wird, z. B. eine geistige oder körperliche Behinderung. Die sexuelle Ausbeutung schließt den Missbrauch eines Kindes für Prostitution, Pornografie oder pornografische Darstellungen ein. Eines ist sicher - sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung sind weiter verbreitet als allgemein angenommen wird.

Wer sind die Täter?

Im Gegensatz zur allgemeinen Überzeugung wird sexuelle Gewalt in der Regel nicht durch Fremde begangen, die man im Internet oder auf der Straße kennenlernt, sondern durch enge Verwandte, Nachbarn und Personen, die eine Autoritäts- oder Vertrauensposition innehalten. Der sexuelle Missbrauch betrifft sowohl Mädchen als auch Jungen, obwohl aktuelle Statistiken zeigen, dass 80% der Opfer von sexuellen Straftaten weiblich sind.

Es scheint, dass in 70-85% der Fälle der Täter eine Person ist, die das Opfer kennt. 72% der Täter, die sich sexuell an Minderjährigen vergriffen haben und die bei der Polizei angezeigt wurden, sind Angehörige der Familie des Opfers.

In einigen Fällen ist auch der Täter minderjährig: Zwischen 20-50% derjenigen, die Sexualstraftaten gegen Kinder begehen, sind selbst noch Jugendliche, die ein sexuell abweichendes Verhalten zeigen.

Was sind die Folgen der sexuellen Gewalt?

Die sexuelle Ausbeutung und der sexuelle Missbrauch gehören zu den schlimmsten Formen von Gewalt gegen Kinder. Die Forschung zu diesem Thema hat gezeigt, dass sexuelle Gewalt weitreichende Folgen für alle Lebensphasen des Opfers hat. Die sexuelle Gewalt wirkt sich vorwiegend auf die psychische Gesundheit und das familiäre und soziale Wohlergehen aus. Die häufigsten Störungen bei den Opfern sind u.a. psychologische Probleme, wie z. B. Depression und Angstzustände, Schlaf- und Essstörungen, sexuelle Probleme, übermäßiger Alkoholgenuss und Drogensucht.

Was sind die Ziele des Übereinkommens des Europarates?

Das Übereinkommen zielt darauf ab, die sexuelle Ausbeutung und den sexuellen Missbrauch von Kindern zu verhindern und zu bekämpfen, die Rechte der kindlichen Opfer von sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch zu schützen und die nationale und internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu fördern.

Welche Maßnahmen enthält sie zur Verfolgung von Sexualstraftätern?

Es enthält strafrechtliche Maßnahmen, die für eine wirksame Bekämpfung der sexuellen Gewalt unerlässlich sind:

§  indem sie sicherstellen, dass bestimmte Verhaltensweisen zu Straftaten erklärt werden, u.a.:

·         sexueller Missbrauch: Alle Fälle, in denen eine Person sexuelle Handlungen mit einem minderjährigen Kind durchführt;

·         alle Fälle, in denen eine Person sexuelle Handlungen mit einem Kind durchführt und dabei Zwang oder Drohungen einsetzt;

·         Kinderprostitution;

·         Kinderpornografie;

·         Verführung von Kindern;

·         und das Anbieten von Kindern für sexuelle Zwecke, einschließlich Internet-Grooming (Kontaktaufnahme zu Missbrauchszwecken);

§  Festlegen gemeinsamer Kriterien, um sicherzustellen, dass in allen Staaten ein wirksames, angemessenes und abschreckendes System eingerichtet wird;

  • Verlängerung der Verjährungsfristen. Die Verjährungsfrist ist der Zeitraum, in dem eine Klage erhoben werden kann. Das Übereinkommen fordert die Staaten auf, ihre Verjährungsfristen bei Sexualstraftaten gegen Kinder zu verlängern, so dass Verfahren eingeleitet werden können, nachdem das Opfer die Volljährigkeit erreicht hat.

Wie schützt das Übereinkommen die Opfer?

Das Übereinkommen behandelt schwerpunktmäßig das Wohlergehen der Opfer, berücksichtigt ihre Meinungen, Bedürfnisse und Bedenken und sichert beständig ihr bestes Interesse.

Es enthält Maßnahmen und Leistungen, um die Opfer und ihre Familien zu schützen, z. B. das Einrichten von Nottelefonen oder Internetberatungsstellen und psychologische, medizinische und rechtliche Hilfen für die Opfer. Des Weiteren verabschiedet es kinderfreundliche Gerichtsverfahren zum Schutz der Sicherheit, der Privatsphäre, der Identität und des Rufs des Opfers sowie Maßnahmen zur Begrenzung der Anzahl der Befragungen und die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Rechte des Kindes.

Wie kann eine internationale Zusammenarbeit den Kampf gegen sexuelle Gewalt unterstützen?

Die rechtliche Zusammenarbeit hilft den Staaten, Probleme zu identifizieren und zu analysieren, gemeinsame Lösungen zu finden und anzuwenden, Daten und Fachwissen auszutauschen, Straflosigkeit zu bekämpfen und die Präventions- und Schutzmaßnahmen zu verbessern. Es ist daher unerlässlich, dass sowohl europäische als auch nichteuropäische Staaten Vertragsstaaten zum Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch werden.

Was ist der nächste Schritt?

Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist ein massives Problem, dessen Ausmaß bisher noch nicht in vollem Maße bestimmt wurde. Als gesichert darf gelten, dass die Zahl der gemeldeten Fälle weit unter der Zahl der tatsächlichen Fälle liegt. Am 29. und 30. November startet der Europarat eine Aufklärungskampagne in Rom (Italien), um die Öffentlichkeit über die Ausmaße dieses Phänomens zu unterrichten, das Schweigen zu durchbrechen, das den sexuellen Missbrauch umgibt, und um sicherzustellen, dass alles Erdenkliche unternommen wird, um diesen Missbrauch zu verhindern.

Diese Kampagne fordert jeden Einzelnen dazu auf, wachsam zu diesem Thema zu sein, und wird insbesondere Eltern und Kinder, aber auch Fachleute, die für Kinder oder mit Kindern arbeiten, dazu aufrufen, jeden sexuellen Übergriff zu melden.

Weitere Informationen

 www.coe.int/childprotection und www.coe.int/children

Pressestelle

Estelle Steiner, Mitarbeitern der Pressestelle

Tel. +33 (0)3 88 41 33 35

Handy +33 (0)6 08 46 01 57

[email protected]

Stand: 4. Juni 2010