Text Box: Der Europarat und die Frage der Migration

Der Europarat und die Frage der Migration

Grundsätzliches

·         Die Minister für Migrationsangelegenheiten der Mitgliedsstaaten des Europarates treffen sich in wechselnden Abständen zu Konferenzen, auf denen sie die Gelegenheit erhalten, multilaterale Initiativen im Zusammenhang mit allen Migrationsangelegenheiten zu erörtern und zu konkretisieren.

·         Der Europarat verfolgt in seiner Politik seit jeher das doppelte Ziel einer verbesserten Integration aller Migranten bei gleichzeitiger vollständiger Wahrung der Menschenrechte in allen Bereichen der Migrationspolitik.

·         Seit 1980 wurden acht Ministerkonferenzen abgehalten. Auf der 8. und bisher letzten Ministerkonferenz am 4. und 5. September 2008 in Kiew standen Fragen der Wirtschaftsmigration und der internationalen Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Staaten im Vordergrund der Gespräche.

Zusammenfassung

Die Europäischen Ministerkonferenzen ermöglichen es den Mitgliedsstaaten, gemeinsam über alle Migrationsfragen zu beraten und dabei gleichzeitig die Wahrung der Menschenrechte zu gewährleisten. Aufgrund der hochrangigen Besetzung der Konferenzen durch die zuständigen Minister aller Mitgliedsstaaten ist es möglich, einen wirklich europäischen und den ganzen Kontinent umspannenden, ganzheitlichen Ansatz in der  Migrationsfrage auszuarbeiten, und einheitliche und gemeinsame Maßnahmen zu setzen. Diese werden am Ende einer jeden Konferenz in einer gemeinsamen Schlusserklärung veröffentlicht.

In der Schlusserklärung der 8. Ministerkonferenz in Kiew wurde der Europarat aufgefordert, einen ganzheitlichen Ansatz in den drei Bereichen Wirtschaftsmigration, Entwicklung und sozialer Zusammenhalt auszuarbeiten, und die Mitgliedsländer bei der nachfolgenden Umsetzung zu unterstützen. Dieser Auftrag umfasste auch die Entwicklung von Mechanismen für einen regelmäßigen Erfahrungs- und Informationsaustausch, sowie die erforderliche Einführung und Schulung hinsichtlich der notwendigen Reformen und der Belange der interministeriellen Zusammenarbeit.

Fragen und Antworten

Welches sind die wichtigsten und grundlegenden Elemente der Politik des Europarates in Migrationsfragen?

In seiner Politik gestaltet und unterstützt der Europarat Migration und Integrationspolitik aufbauend auf dem Prinzip der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Ziel dabei ist einerseits die Stärkung von Gleichbehandlung, Toleranz und Nicht-Diskriminierung, und andererseits die Abschaffung diskriminierender Regelungen und Praktiken, die in den Mitgliedsstaaten noch vereinzelt Bestand haben. Der Europarat versucht Migration so zu gestalten, dass sowohl der soziale Zusammenhalt als auch die wirtschaftliche Entwicklung der Herkunfts- und Zielländer eine Stärkung erfahren. 

Die Arbeit des Europarates im Zusammenhang mit der Migration umfasst traditionell die drei Hauptbereiche Migrationsmanagement, Integration, sowie Fragen zum Rechtsstatus von Migranten. Darin eingebettet finden sich auch Spezialbereiche, wie z.B. die Einrichtung funktionierender Kanäle für die legale Migration, die Förderung wirksamer Maßnahmen für die Eingliederung von Migranten in den Arbeitsmarkt, die Hilfe bei der Erlernung der Sprache des Ziel- und Gastlandes, und schließlich alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Gruppen von Migrantinnen und Migranten. 

Welche Ziele verfolgt der Europarat im Bereich der Migration?

Der Europarat fördert den internationalen Dialog über Migration und Integration, und unterstützt Kontakte zwischen Herkunfts-, Durchgangs- und Zielländern. Der Europarat ist überzeugt, dass auf diesem Wege eine geordnete Steuerung von Migrationsströmen genauso erzielt werden kann wie schlussendlich die Errichtung toleranter Gesellschaften. Zahlreiche Initiativen und Vorschläge des Europarates haben in die nationalen Gesetzgebungen der Staaten Europas Eingang gefunden, und von der Organisation ausgearbeitete Standards und Normen dienen Politkern auf nationaler und internationaler Ebene als richtungsweisende Maßstäbe. Viele der diesbezüglichen EU-Direktiven stützen sich ebenfalls auf vorangegangene Arbeiten des Europarates.

Wie sieht der Europarat die Rolle der Migranten?

Der Europarat glaubt, dass die Teilhabe der Migranten am sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben der Aufnahmegesellschaften verstärkt werden muss. Aus diesem Grunde konzentriert sich der Europarat auf die Unterstützung und Förderung der Rolle von Migrantenverbänden und auf die Verstärkung der Wechselbeziehungen und Zusammenarbeit zwischen Migranten und Aufnahmegesellschaft.

Eines der Hauptziele des Europarates im Bereich der Migration ist, dass Migranten nicht nur in den vollen Genuss garantierter Rechte und Sozialleistungen gelangen, sondern darüber hinaus die reelle Chance erhalten, zu vollwertigen Mitgliedern der Aufnahmegesellschaften zu werden. Sie sollen die gleichen Möglichkeiten für einen erfolgreichen persönlichen und beruflichen Werdegang entsprechend ihrem Wissen, ihren Fähigkeiten und ihrem Bestreben vorfinden wie alle anderen Mitglieder der Aufnahmegesellschaft auch; auch soll ihr Beitrag zur Weiterentwicklung dieser Gesellschaft gebührend anerkannt und gewürdigt werden.

Welche Hauptthemen standen im Mittelpunkt der 8. Konferenz der Minister für Migrationsangelegenheiten in Kiew?

Das Thema der Konferenz lautete: „Wirtschaftsmigration, sozialer Zusammenhalt und Entwicklung: auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Ansatz”. Die Konferenz brachte die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedsstaaten zum Ausdruck und zeigte somit deutlich die Notwendigkeit eines ganzheitlichen politischen Ansatzes für die Bewältigung aktueller und zukünftiger Migrationsfragen auf. Die Konferenz führte auch eines der Anliegen der 7. Konferenz der Minister für Migrationsangelegenheiten, die im September 2002 in Helsinki stattfand, weiter und befasste sich mit der Vertiefung und Intensivierung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten in allen Migrationsfragen.

Wie funktioniert die internationale Zusammenarbeit in Migrationsangelegenheiten?

Die Erklärung von Kiew enthält Anleitungen zur Entwicklung einer wirksamen politischen Antwort auf aktuelle und zukünftige Fragen im Zusammenhang mit der Migration. Diese Anleitungen richten sich an die Mitgliedsstaaten des Europarates und an die Organisation selbst und behandeln auch die Verstärkung der bi- und multilateralen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet. Die Minister nutzten die Gelegenheit, alle jene politischen Lösungen zu diskutieren und zu beschließen, die für die Bedingungen ihres jeweiligen Landes relevant waren, und die von den wachsenden Strömen von Wirtschaftsmigranten, insbesondere von Ost nach West und innerhalb Osteuropas, bestimmt waren.  

War die wachsende Wirtschaftsmigration auch Thema der Konferenz?

In diesem Zusammenhang diskutierten die Konferenzteilnehmer darüber, mit welchen Maßnahmen die Regierungen der Mitgliedsländer den sozialen Zusammenhalt abzusichern versuchten, und wie eine verbesserte Politik in diesem Bereich aussehen könnte. Die Konferenz befasste sich mit dem Zusammenhang zwischen Wirtschaftsmigration und Wirtschaftsentwicklung aus der Sicht der Herkunfts- als auch der Aufnahmeländer, und mit den Auswirkungen der Auswanderung auf die Entwicklung der betroffenen Staaten.

Welches sind für die Ukraine die größten Probleme im Zusammenhang mit Migration?

Die Ukraine steht derzeit vor der Herausforderung, einen umfassenden ganzheitlichen Ansatz in der Migrationspolitik zu entwickeln, der es ermöglichen soll, die anstehenden diesbezüglichen Probleme in diesem Land zu bewältigen. Die Ukraine durchlief in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts bekanntlich eine Periode starker Auswanderung.

Wie könnte eine optimale Migrationspolitik für die Ukraine aussehen?

Auf dem ansonsten gesättigten Arbeitsmarkt mangelt es an qualifizierten Arbeitskräften zur Besetzung der offenen Stellen, und die Einstellung ausländischer Fachkräfte käme als eine mögliche Lösung in Frage. Dies sollte jedoch auf geregelte Art und Weise erfolgen, der soziale Zusammenhalt darf dadurch nicht gefährdet werden, und die Rechte und menschliche Würde der Migranten müssen gewahrt bleiben. Ein umfassender, wirksamer und wohlfundierter politischer Rahmen zur Integrationsförderung muss von den ukrainischen Behörden geschaffen werden, damit Migranten ein vollwertiger Bestandteil der ukrainischen Gesellschaft werden und nicht ausgeschlossen oder an den Rand gedrängt werden. Eine solche Integrationspolitik würde auch den bereits im Land weilenden Migranten zugute kommen.

Wie können Migranten zur wirtschaftlichen Entwicklung der Ukraine beitragen?

Die ukrainischen Migranten, die sich in großer Zahl im Ausland aufhalten, sind auch ein Gewinn für ein Land, das ihr Wissen, ihr Können und ihre Finanzkraft potenziell dazu verwenden könnte, die Entwicklung des Landes anzukurbeln. Lohnrücktransfers aus dem Ausland erweisen sich schon seit einiger Zeit als wichtiger Faktor des Wirtschaftswachstums, wobei allerdings diese Mittel nicht immer sehr wirkungsvoll eingesetzt werden. Mechanismen für die Verwendung von Finanzmitteln aus der Migration und für ihre Zuführung an die inländische Wirtschaft fehlen ganz offensichtlich. Die ukrainischen Behörden könnten in diesem Zusammenhang stärkere Verbindungen zu den Migrantengemeinschaften im Ausland herstellen und ihnen Möglichkeiten anbieten, durch gemeinsame Entwicklungsinitiativen zum wirtschaftlichen Fortschritt der Ukraine beizutragen, oder sie durch entsprechende geeignete Wiedereingliederungsprogramme zu einer Rückkehr in ihre Heimat zu bewegen.

Hat die Ukraine auch mit illegaler Migration zu kämpfen? 

Unter all den Fragen, denen sich die Ukraine in Migrationsangelegenheiten gegenüber sieht, nimmt das Problem der illegalen Migration eine zentrale Stellung ein. Die Behörden sollten erwägen, die Grenzkontrollen zu verstärken und die Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte zu verbessern. Obwohl die Zahl illegaler Migranten noch lange kein kritisches Ausmaß erreicht hat, muss man mit ihrer Zunahme rechnen, und die Behörden sind gut beraten, diese Entwicklung mit dem gebührenden Ernst zu verfolgen. Bei der Bekämpfung der illegalen Migration und der illegalen Beschäftigung von Migrantinnen und Migranten muss die Regierung sicherstellen, dass alle Migranten Zugang zu dem elementarsten Rechten und Sozialleistungen erhalten, und dass es im Umgang mit ihnen zu keinen Verletzungen der  Menschenrechte kommt.

Kontakt

Estelle Steiner, Pressereferentin

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 Stand: August 2009