Salzburg, 19. Oktober 2013

Gudrun MOSLER-TÖRNSTRÖM, Vize-Präsidentin des Salzburger Landtages, Leiterin der österreichischen Delegation im Kongress (Österreich, SOC).

Die praktische Arbeit im Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates

Der Kongress ist die Stimme der 200.000 Regionen und Gemeinden Europas. Ein

Forum von gewählten PolitikerInnen in dem wir uns für die Stärkung der Demokratie und der Verbesserung der Bedingungen auf regionaler und kommunaler Ebene einsetzen.

Wir

·         lernen voneinander,

·         tauschen Best Practice-Modelle und Erfahrungen aus,

·         erarbeiten politische Strategien.

Diese allgemein genannten Bereiche füllen wir vor allem während unserer Plenarversammlungen im März und im Oktober, aber auch in Missionen und themenspezifischen Aktivitäten dazwischen mit Leben.

Beispiele aus der Tagesordnung der nächsten Session: (29-31 Oktober)

·         Der Zugang von Migranten zum regionalen Arbeitsmarkt oder

·         Regionalisierung undDezentralisierung in Europa im Kontext der Wirtschaftskrise: Neueste Entwicklungen

·         Bekämpfung des Extremismusauf lokaler und regionaler Ebene

Dazu kommen noch die Berichte zu Wahlbeobachtungen und Länder-Monitorings, in denen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit genau durchleuchtet werden, positives wie negative aufgezeigt wird und Empfehlungen zur Verbesserung gegeben werden. Diese Empfehlungen werden im Plenum diskutiert und abgestimmt.

Länder-Monitoring und Wahlbeobachtung

Diese beiden Bereiche nenne ich immer die „Arbeit an der Front“. Intensiv, lehrreich und für die Stärkung der Demokratie von besonderer Bedeutung, Daher auch Schwerpunkte in unserer Arbeit.

Aufgrund der Ergebnisse und Empfehlungen dieser Beobachtungen sind bereits zahlreiche Gesetzesreformen in Gang gebracht worden.

Länder-Monitoring

In regelmäßigen Abständen (ca. alle 5 Jahre) werden die Mitgliedsstaaten im Zuge des Monitoring-Verfahrens daraufhin überprüft, ob sie die Forderungen in der Charta der kommunalen Selbstverwaltung erfüllen. Die Zusammensetzung der Beobachtungsteams ist sehr ausbalanciert. Man kann von einem peer-to-peer-Ansatz oder auch einem Bottom-up-Ansatz sprechen. Aktive Politikerinnen und Politiker unterschiedlicher Parteien und Kammern, die die politische Realität kennen, kombiniert mit dem rechtlichen Wissen unabhängiger Expertinnen und Experten erstellen einen Report der verbindend und nicht abgehoben ist.

Wie weit und unterschiedlich das Beobachtungsfeld gespannt ist, zeigt die Bandbreite der politischen Systeme in den 47 Mitgliedstaaten. Von Aserbaidschan  - Schweden, Ukraine, Österreich, Moldawien, San Marino, Estland…..

Trotz der vielfältigen politischen Landkarte, „junger Demokratien“, „alter Demokratien“, unterschiedliche Kulturen, gibt es kein Land das vollkommen ist.

Ich selber habe diese Bandbreite bei meinen Länder-Monitorings bereits praktisch erlebt: Beispiel: Aserbaidschan und Schweden. Unterschiedlicher kann ein politisches System nicht sein.

Natürlich sind die Empfehlungen im Bericht zu Aserbaidschan vielfältiger, schärfer, auch härter. Themen wie eine nicht existierende lokale Selbstverwaltung, starke Aufsicht durch staatliche Behörden, Meldepflicht der Gemeinden ans Parlament, kaum finanzielle Möglichkeiten um Basisaufgaben erfüllen zu können….

Zusätzlich zu den Empfehlungen wurde eine Resolution (es ist eine Ausnahme) verabschiedet, die den Kongress beauftragt, die Umsetzung der Empfehlungen und die Entwicklung im Land näher zu beobachten indem wir einen Post-Monitoring- Besuch durchführen, den Justizminister zu einem Hearing in den Kongress einladen und ein Seminar zur Umsetzung der Charta, bei dem alle InteressensverteterInnen vertreten sind zu organisieren.

Schweden: Sind die Probleme völlig anders gelagert. Es geht um die Feinjustierung. Der Report ist gerade in Arbeit und soll, nachdem alle GesprächspartnerInnen ihre Stellungnahme dazu abgegeben haben, nächstes Jahr im März in Straßburg diskutiert und abgestimmt werden.

Wahlbeobachtungen

Auf Einladung eines Mitgliedslandes werden Lokal- und Regionalwahlen beobachtet. Die Zusammensetzung der Teams ist entsprechend der Landesgröße anzahlmäßig stärker besetzt als die der Länderbeobachtungen. Ein Kernteam erstattet einen Vorbesuch, bei dem wesentliche Fragestellungen vorbereitet und Problembereiche aufgezeigt werden. Am Wahltag besuchen Zweierteams in vorher festgelegten Bezirken unterschiedliche Wahllokale und beobachten den Vorgang der Wahlen. Die Ergebnisse werden wiederum in einem Report zusammengefasst.

Ob Ländermonitoring oder Wahlbeobachtung, im Endeffekt geht es immer darum: unabhängig von welchen Position aus ein Land startet – Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sollen Schritt für Schritt gestärkt und umgesetzt werden.

Diese Arbeit verlangt einen langen Atem, ist nicht nach jeder Mission auf den Titelseiten der Medien weil nicht spektakulär, daher für viele unbekannt.

Aber ohne die Arbeit des Kongresses hätten die Fortschritte und Entwicklungen der Gemeinde- und Regionaldemokratie in Europa nicht den Level erreicht auf dem wir uns heute befinden.

46 der 47 Staaten haben die Charta der lokalen Selbstverwaltung ratifiziert. Natürlich gibt es immer wieder Fragen, wie einzelne Kapitel seitens des Gesetzgebers interpretiert werden. Ob zulässig oder nicht. Der Kongress als Sprachrohr der Gemeinden und Regionen unterstützt auch in diesen Fragen die Gemeinden und Regionen.

Neben all den Aktivitäten die ich bisher aufgezählt habe ist auch die Aufbereitung aktueller Themen und die Grundlagenarbeit ein wichtiger Teil der Kongressarbeit.

Bei diesen Themenspezifischen Kampagnen werden Best Practice-Modelle vorgestellt, Lösungsansätze erarbeitet die in weiterer Folge in die regionale Gesetzgebung, sofern möglich, aufgenommen werden können und den Gemeinden und Regionen bei der Bewältigung Ihrer Aufgaben unterstützen.

Projekte wie

·         One in five– Bekämpfung Sexueller Gewalt gegen Kinder –

o    Die Strategie zur Umsetzung der rechtlichen Standards zum Schutz und zur Förderung der Rechte des Kindes, enthält konkrete Maßnahmen und konzentriert sich auf 4 Hauptziele

§  Förderung von kindergerechten Systemen und Diensten

§  Eliminierung aller Formen von Gewalt gegen Kinder

§  Schutz der Rechte besonders gefährdeter Kinder und

§  Förderung der Partizipation von Kindern

o    Ziel all dieser Aktivitäten ist es, die Gemeinde- und Regionalräte und Parlamente in ganz Europa im Hinblick auf diese Kampagne zu mobilisieren.

o    Im August 2011 war der damalige Präsident des Kongresses Keith Whitmore zu Besuch in Salzburg, hat sich im Kinderschutzzentrum über unsere Standards informiert und in Folge den GF des Kinderschutzzentrums Mag. Trattner zu einer Präsentation nach Straßbourg eingeladen. Ein Beispiel unserer Arbeit und des Lernens voneinander für einen Mehrwert in allen Mitgliedsstaaten.

·         Europäische Allianzder Städte und Regionen zur Eingliederung der Roma 120 Gemeinden und Regionen aus 26 Mitgliedstaaten sind der Allianz bereits beigetreten.

o    Seit dem Gipfeltreffen der Bürgermeister zum Thema Roma im September 2011 arbeitet der Kongress in enger Kooperation mit dem Sondervertreter für Roma des Europarates an einem Kooperationsrahmen, um die Roma-Eingliederung und deren Partizipation am demokratischen Prozess zu fördern. Es werden Integrationsprojekte zur Umsetzung für Städte und Regionen aufgebaut, die durch Gelder der EU und andere Quellen finanziert werden.

o    Ein Maßnahmenpaket wurde ausgearbeitet und wird im Oktober und November in Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Slowakei vorgestellt.

All diese Aktivitäten und Arbeiten schaffen ein Fundament und ein Bewusstsein für demokratiepolitische Maßnahmen in den Gemeinden, Städten und Regionen.

Dass Salzburg mit dem Prädikat Menschenrechtsstadt ausgezeichnet wurde ist ein Ergebnis dieser Grundlagenarbeit.

Salzburg hat als einzige Stadt Österreichs 2008 die „Europäische Charta für den Schutz der Menschenrechte in der Stadt“ unterzeichnet und ist damit nach Graz zweite Menschenrechtsstadt des Landes. Seit 2001 ist Graz durch den Beitritt zum Netzwerk „Human Rights Cities“ Menschenrechtsstadt.

Warum ist die Arbeit des Kongresses so wichtig?

Kein Land, keine Region, keine Gemeinde kann heute noch isoliert agieren.

Grenzüberschreitende Kooperationen, die Erarbeitung gemeinsamer, einheitlicher Standards, der Austausch von Know-how werden immer wichtiger.

Der Kongress hat bei der Umsetzung dieser wichtigen Funktionen eine maßgebliche Aufgabe. Er schafft einheitliche Voraussetzungen für Selbstverwaltung auf allen Ebenen, vorausschaubar, verlässlich und kontinuierlich.

Ein Europa der Kommunen zu schaffen, ein Europa, in dem den Bürgern dort, wo sie leben, ermöglicht wird, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.