31st Session of the Congress of Local and Regional Authorities – 19-21 October 2016

Speech by Elisabeth Feichtinger, Mayor of Altmünster

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Debate on “Women's political participation and representation at local and regional level  

Strasbourg, 20 October 2016

Sehr geehrte Damen und Herren im Kongress des Europarates,

Mesdames, messieurs,

Ich freue mich, dass ich heute hier bin. Mein Name ist Elisabeth Feichtinger, ich komme aus Altmünster in Oberösterreich und bin dort seit über einem Jahr Bürgermeisterin. Übrigens mit meinen 29 Jahren die jüngste Bürgermeisterin Österreichs. Eine von 147 Bürgermeisterinnen. Nur jede siebte der 2.100 Bürgermeister und Bürgermeisterinnen in meinem Land ist eine Frau. Womit wir bereits beim Kern meiner Rede wären: Die Gesellschaft ist weiblich, zumindest ist sie zu etwa 50 % weiblich. Aber sie ist nach wie vor männlich dominiert – in der Wirtschaft, der Politik, der Kultur, im Sozialwesen, egal welchen Bereich man betrachtet: Die führenden Köpfe, die die wirklich das Sagen haben, sind in den allermeisten Fällen Männer. Das ist so in den Kreisen, in denen ich jetzt als Bürgermeisterin unterwegs bin und im Rest des Landes auch. Ich habe da für mich einen guten Spruch: Klar kommen Frauen auch zum Zug, aber erst dann, wenn der Zug schon abgefahren ist.

Wie ich dann Bürgermeisterin werden konnte, wollen Sie wissen? Ich bin auf den abfahrenden Zug aufgesprungen! Nun, meine Partei, die sozialdemokratische Partei, lag am Boden in Altmünster, eine Gemeinde, die traditionell ÖVP, also konservativ, wählt. Der Vizebürgermeister hatte das Amt aus persönlichen Gründen zurückgelegt und keiner der erfahrenen Genossen traute sich zu, ein Jahr vor der Wahl den müden Karren zu übernehmen. Da fragten sie – das muss wohl wirklich ein Moment der Verzweiflung gewesen sein – da fragten sie mich, eine junge, engagierte Nachwuchspolitikerin, seit fünf Jahren Gemeinderätin. Und ich dachte mir damals – vielleicht ist der Zug doch noch nicht ganz abgefahren, vielleicht erwische ich ihn noch und begann zu laufen, im wahrsten Sinn des Wortes, und zwar von Haustür zu Haustür. Ich habe im Wahlkampf ganze 4.706 Haushalte in Altmünster besucht und mit den Menschen geredet und noch wichtiger – den Menschen zugehört. Und ich habe selbst gebackenen Kuchen mitgebracht.

Jedenfalls habe ich dann die Bürgermeisterwahl gewonnen – zur Überraschung vieler. Nach 70 Jahren geprägt von konservativen Bürgermeistern gibt es nun in Altmünster eine sozialdemokratische Bürgermeisterin. Nach 70 Jahren honoriger Herren nun eine junge Frau.

Dass ich heute hier bei Ihnen in Strassburg bin, freut mich wirklich sehr. Das ist etwas Besonderes für mich. Denn ich bin ein glücklicher Einzelfall, eine Ausnahmeerscheinung, die erste Bürgermeisterin in Altmünster überhaupt. Altmünster ist ein bisschen wie Österreich im Kleinen, müssen sie wissen. Konservativ und doch offen. Ländlich und doch kleinstädtisch geprägt. Traditionen verhaftet aber bereit, Neuland zu betreten. Ich mag Altmünster sehr und vor allem die Menschen die dort wohnen. Leider bin ich eine Ausnahme, eine der wenigen Bürgermeisterinnen im Land. Rein statistisch ist die Chance, dass es eine wie mich gibt, 1:7. In der regionalen Politik ist es nicht anders wie auf Landes- oder Bundesebene auch: Frauen sind stark – stark unterrepräsentiert.

Konkret bedeutet das: Frauen bekommen in der Politik meist die, in den Augen der Männer „weniger wichtigen“ Agenden oder Ausschüsse übertragen: die Kinder, die Familien, vielleicht die Bildung, aber beim Sport hört sich der Spaß meistens schon auf. Ich habe gekämpft darum, in wichtigen Ausschüssen arbeiten zu dürfen und es war in der Tat ein Kampf. Warum das so ist, fragen Sie sich? Die Gründe sind Ihnen sicher bekannt. Männer sind besser vernetzt als Frauen, sind zielstrebiger, selbstbewusster, üben von klein auf, wie man die Räuberleiter macht, und hören von klein auf von ihren Müttern, wie toll sie sind. Männer haben einfach tausende Jahre Erfahrung im Führen. Wir Frauen sind einfach besser im Sich-Zurücknehmen.

Dazu kommt, und das habe ich auch selbst erlebt: Nicht nur Männer stehen Frauen im Weg, die etwas erreichen wollen, oft sind es Frauen. Die Frauensolidarität ist weiblich, sie existiert aber de facto nicht. Und jede Frau, die behauptet, sie fühle sich gleich berechtigt, ist entweder Teil einer privilegierten Minderheit oder sie belügt sich selbst.

Wie soll sich auch je etwas daran ändern, an der Stellung von Frauen in Politik und Gesellschaft, wenn die, die die Rahmenbedingungen gestalten, in den allermeisten Fällen Männer sind? Das würde ja bedeuten – würde man Gleichberechtigung konsequent leben – dass die Hälfte aller Männer in Führungspositionen Platz machen müssten für Frau. Aber wohin dann mit ihnen? Umschulung? Frühpension? Innere Emigration in den Hobbykeller? Klar doch, dass das nicht von heute auf morgen geht, geben wir den Männern doch ein wenig mehr Zeit, ein paar Jahrhunderte noch.

Trotzdem bin ich positiv gestimmt. Es hat sich auch etwas getan in den letzten Jahren und Jahrzehnten, seit mutige Frauen und auch so manche mutige Männer für Gleichberechtigung kämpfen. Aber es ist noch viel zu tun: Denn Frauen verdienen in den allermeisten Branchen immer noch weniger als Männer. Frauen gehen immer noch weitaus häufiger in Karenz. Und Frauen sind in Führungspositionen oft immer noch zweite Wahl. Dafür sind Frauen nach wie vor in Sozialberufen, in Kindergärten und Schulen gefragt, und vor allem zuhause: als Mutter, als Hausfrau und als pflegende Tochter & Schwiegertochter. Meine Hoffnung sind die Jungen. Die jungen Frauen, die ihre Frau stehen, die Mut haben und gestalten wollen und die jungen Männer, die sie dabei unterstützen. Denn nicht immer muss eine starke Frau hinter einem starken Mann stehen, es darf auch gerne mal umgekehrt sein. Bei mir zum Beispiel ist es so und dafür bin ich meinem Mann sehr dankbar.

Ich muss Ihnen sagen, ich bin glücklich, was mich betrifft. Auch wenn  mache Leute bei einer Ansprache eher über die Farbe meines Kleides als über den Inhalt meiner Rede sprechen. Auch wenn so manche immer noch „Frau Bürgermeister“ sagen. Und auch wenn mich Journalisten fragen, wie ich das mit dem Haushalt schaffe und wie ich mir das in Zukunft vorstelle, als Bürgermeisterin, mit einem Kind – dieselben Fragen würden sie nie einem Bürgermeister stellen, da bin ich mir sicher. Ich bin trotzdem glücklich, weil ich durch meine Arbeit auch so etwas wie eine Vorkämpferin sein kann für Frauen, und das eine oder andere verändern kann, auf meine eigene Art und Weise, in meinem eigenen Wirkungsbereich. Und ich zähle dabei vor allem auf die, die nachkommen.

Denn eines will ich Ihnen noch verraten: Wenn die Mädchen im Kindergarten oder in der Schule in Altmünster mich mit großen Augen anschauen oder mir Briefe schreiben und mir mitteilen, sie wollen auch Bürgermeisterin werden. Und wenn ihre Väter und Mütter die Zuversicht haben und ihren Töchtern sagen: „Du kannst alles werden was du willst und du kannst alles schaffen“. Der Zug ist für diese Mädchen vielleicht auch schon abgefahren, aber diese Mädchen, diese jungen Frauen werden ihn sicher erwischen und aufspringen. Weil sie noch stärker und noch schneller sind, als ich es bin. Und es werden immer mehr, die aufspringen. Und eines Tages werden Frauen nicht mehr hinterherlaufen müssen, dann hat es sich ausgelaufen, dann können wir ganz normal zusteigen, in Ruhe und mit einem guten Gefühl.

Darauf freue ich mich. Und daran glaube ich!