Interdisziplinäres Seminar zur “grenzüberschreitenden Zusammenarbeit”

Freitag, 6. Februar 2009

Speyer, Germany

Ulrich BOHNER, Generalsekretär des Kongresses der Gemeinden und Regionen des Europarates, Straßburg

Einführung: Formen grenzüberschreitender interregionaler Governance in Europa

Sehr geehrter Herr Rektor,

Monsieur le Président du Conseil Régional d’Alsace,

liebe Gäste,

In einigen Wochen, am 5. Mai dieses Jahres, ist es genau 60 Jahre her, dass im Londoner St. James-Palast ein unvergleichliches Friedens- und Vereinigungsprojekt (von damals zehn Staaten) aus der Taufe gehoben wurde – der Europarat. Die Tatsache, dass dieses politische Projekt so erfolgreich verlaufen ist und inzwischen 47 Länder Europas - rund 800 Millionen Menschen – durch gemeinsame Werte und Grundsätze sowie durch ein gemeinsames Regelwerk verbindet, liegt darin begründet, dass der Europarat einem übergeordneten Ziel verpflichtet ist: der Überwindung von Trennlinien, damit die im gemeinsamen Haus Europa lebenden Menschen mehr voneinander wissen, sich besser verstehen und in einen friedlichen und demokratischen Dialog miteinander eintreten können.

Der Kongress der Gemeinden und Regionen ist der Spezialist des Europarates in allen Fragen der lokalen und regionalen Demokratie. Die grenzüberschreitende und die interregionale Zusammenarbeit zwischen Nachbarregionen bzw. zwischen Regionen, die von den gleichen Interessen und Problemen geprägt sind, ist eine der zentralen Aufgaben des Kongresses des Europarates. Mit der so genannten Konvention von Madrid hat der Kongress im Jahr 1980 die Grundlage für einen Rechtsrahmen zur dezentralisierten grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa geschaffen. Inspiriert von diesem breit angelegten Instrument des Kongresses sind in der Folge zahlreiche grenzübergreifende Abkommen zwischen Nachbarländern abgeschlossen worden, von denen allerdings nur wenige auf öffentlichem Recht basierten.

Im Europarat war man daher der Meinung, dass die Madrider Konvention - im Interesse eines klareren und einheitlicheren Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa - weiter entwickelt werden müsse. Inzwischen arbeitet ein Expertenkomitee am dritten Zusatzprotokoll zur Konvention von Madrid. Kernpunkt des Protokolls ist, dass als Rechtsbasis für Zusammenschlüsse zur Förderung grenzübergreifender Aktivitäten das nationale Recht jenes Staates gilt, in dem der jeweilige Vereinigung eingerichtet worden ist.

Wie in vielen anderen Bereichen geht auch die Arbeit des Europarates zur Förderung grenzüberschreitender Aktivitäten Hand in Hand mit Initiativen der Europäischen Union, die 2006 ein neues Rechtssubjekt auf Unionsebene geschaffen hat, nämlich den „Europäischen Verbund für Territoriale Zusammenarbeit“. Während das Verbund-Modell der EU finanzielle Haftungshaftungsfragen und das Problem der Rechtspersönlichkeit aufgenommen hat, blieb die Frage der Durchsetzung von Hoheitsrechten eines Staates auf der anderen Seite der Grenze (ohne Verletzung nationaler Kompetenzen) offen. Genau dieses Problem haben zwei Folgeabkommen, die auf der Madrider Konvention des Europarates basieren, nämlich das Isselburg-Anholt Abkommen zwischen Deutschland und den Niederlanden aus dem Jahr 1991 sowie das Karlsruher Übereinkommen von 1997 (es regelt die Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften und öffentlichen Stellen aus Deutschland, Frankreich, Luxemburg und der Schweiz) zu lösen versucht. Mit der vorhin erwähnten Weiterentwicklung der Madrider Konvention in Form des dritten Zusatzprotokolls stellt sich der Europarat erneut den Herausforderungen moderner Modelle grenzüberschreitender Zusammenarbeit in Europa.

Insgesamt liegen die Vorteile von gut durchdachten Rechtsinstrumenten bei der praktischen Umsetzung von interregionalen Kooperationen auf der Hand – und sie sind für die Arbeit des Europarates wie für die der Europäischen Union gleichermaßen von Bedeutung. Lassen Sie mich dazu nur drei wichtige Beispiele anführen:

dezentrale Zusammenarbeit wird damit langfristig und unabhängig von wechselnden politischen Mehrheiten, wechselnden geographischen oder inhaltlichen Prioritäten überhaupt erst möglich gemacht;

die Einbindung der Bürger und anderer Partner, ein wesentliches Kriterium für das Funktionieren von Kommunalpolitik, wird sichergestellt und

der Zugang zu Fördermitteln (der wichtigste Partner des Europarates ist dabei die EU) wird durch Management und Kontrolle professionalisiert.

Die Förderung von nachbarschaftlicher Dialogbereitschaft und von grenzübergreifenden Projekten sowie die Schaffung von Strukturen zur Umsetzung solcher Projekte ist dem Europarat, und damit dem Kongress der Gemeinden und Regionen, ein großes Anliegen. Zu den jüngsten praktischen Beispiele für die Bemühungen des Europarates auf diesem Gebiet zählt die Entwicklung einer Datenbank, in der grenzüberschreitende und inter-territoriale Aktivitäten und Projekte zwischen Regionen und anderen Gebietskörperschaften zentral erfasst werden können. Diese Datenbank ist Teil des vom Europarat ins Leben gerufenen Projektes mit dem Titel „MORE – Matching Opportunities for Regions in Europe“. Den hier anwesenden Vertretern lokaler und regionaler Behörden, aber auch den Kollegen aus Politik, Forschung und Weiterbildung kann ich dieses neue Online-Werkzeug nur ans Herz legen: Nutzen Sie diese Datenbank, um gemeinsam Vorschläge zu entwickeln, um Erfahrungen untereinander auszutauschen und um Ihre territorialen Projekte auch auf gesamteuropäischer Ebene bekannt zu machen!

Ein weiteres Beispiel für ein vom Europarat entwickeltes Rechtsinstrument betrifft das wohl wichtigste Medium zwischenmenschlicher Kommunikation – die Sprache. Ich denke, dass dies das richtige Stichwort ist, um ein paar Worte in Französisch, der Sprache eines wichtigen Partners Deutschlands auf dem Gebiet territorialer Zusammenarbeit, an Sie zu richten. Nicht zu vergessen – mit Straßburg als Sitz des Europarates!

Mit der Empfehlung Rec(2005)3 des Ministerkomitees über den „Unterricht von Nachbarsprachen in europäischen Grenzgebieten“ hat der Europarat einen wegweisenden Schritt gesetzt, um grenzüberschreitende Aktivitäten zwischen Nachbarregionen zu erleichtern. Wer die Sprache des Nachbarn versteht, wird mehr Interesse am Gegenüber entwickeln. Verstehen ist Basis für Verständnis, für das Wecken von Neugierde und für die Entwicklung von gegenseitigem Vertrauen – gerade das Andersartige kann solcherart verbinden und zu erfolgreichen Kooperationsprojekten führen, seien diese wirtschaftlicher oder sozio-kultureller Natur.

Lassen Sie mich am Ende meiner Ausführungen noch ein Thema skizzieren, auf das wir im Kongress der Gemeinden und Regionen besonders stolz sind – es sind dies die vom Europarat initiierten Euroregionen. Mit der im Februar 2006 erfolgten Gründung der Euroregion „Adria-Raum“ versucht der Kongress der Gemeinden und Regionen konkrete Antworten auf jene Interessenslagen und Probleme zu finden, die Städte, Gemeinden und Regionen der Adria-Länder miteinander verbinden. In der Euroregion „Adria“ haben sich 22 lokale und regionale Behörden aus sechs Ländern (Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Albanien) – begleitet von nationalen Regierungen und europäischen Einrichtungen - zusammengeschlossen, um wichtige Anliegen, die allen europäischen Adria-Anrainern gemein sind, zu besprechen und Lösungen zu finden. Die Themen umfassen dabei den Umweltschutz, die Artenvielfalt und die Fischereirechte ebenso wie den interkulturellen Dialog oder Migrationsfragen und Minderheitenrechte.

Die bislang zweite Euroregion des Europarates beschäftigt sich mit der Schwarzmeer-Region und ist noch nicht einmal ein halbes Jahr alt. Den im September des Vorjahres in der bulgarischen Schwarzmeer-Stadt Varna

ausgearbeiteten Vertrag haben bisher 15 Kommunalbehörden aus 5 Ländern (Rumänien, Türkei, Ukraine, Bulgarien und Griechenland) unterschrieben. Mit diesem Zusammenschluss haben sich die Mitglieder nicht nur zur nachhaltigen Förderung und zum Schutz der Schwarzmeer-Region verpflichtet, sondern auch zur Entwicklung erneuerbarer Energieformen, zur Ausarbeitung multi-lateraler Programme im Bereich von Kultur, Wissenschaft, Erziehung, Gesundheit, Sport und Jugend sowie zur Wahrung demokratischer Stabilität.

Die Euroregion „Schwarzes Meer“ des Europarates ist damit ein schönes Beispiel dafür, dass interkulturelle Zusammenarbeit genauso stark gefördert werden muss wie ökonomische. Ich würde es sogar noch deutlicher formulieren: sozio-kulturelle Kooperation auf lokaler und regionaler Ebene ist in vielen Fällen eine Voraussetzung dafür, dass sich gemeinsame Wirtschaftsprojekte zwischen Ländern überhaupt entwickeln können. Gerade in Krisenzeiten wie diesen könnte uns dies als Leitgedanke in eine positivere Zukunft dienen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Par le biais de la recommandation Rec (2005) 3 du Comité des Ministres relative à « l'enseignement des langues du voisin en région frontalière », le Conseil de l’Europe contribue à faciliter la mise en place de projets de coopération transfrontalière entre régions voisines. Ceux qui connaissent la langue de leur voisin seront plus ouverts à développer des liens avec eux.  Comprendre la langue du voisin est la base de la compréhension et de la confiance réciproques. C’est grâce à cela que la curiosité s’éveille et que les projets de coopération réussissent, qu’ils soient d’ordre économique ou socio-culturel.

Pour conclure, permettez-moi de vous présenter l’une des initiatives dont nous sommes particulièrement fiers au Congrès des pouvoirs locaux et régionaux : il s’agit des Eurorégions du Conseil de l'Europe. Les villes, les municipalités et les régions autour de la Mer adriatique partagent les mêmes intérêts, font face aux mêmes problèmes pour lesquels elles cherchent des solutions.  Le Congrès a lancé l’idée de créer une Eurorégion adriatique afin de fournir des réponses communes et concrètes à ces questions.  Elle a été fondée en février 2006 à Venise. Aujourd’hui, les autorités de 22 communes et régions de 6 pays membres du Conseil de l'Europe (Italie, Slovénie, Croatie, Bosnie et Herzégovine, Monténegro et Albanie), ainsi que des gouvernements nationaux et des institutions européennes, se penchent sur des questions importantes, communes à tous les voisins de l’Adriatique, et travaillent ensemble pour trouver des solutions. Les domaines d’intérêt couvrent non seulement la protection de l’environnement, la biodiversité et la pêche, mais également des questions telles que le dialogue interculturel, la migration ou encore les droits des minorités.

La deuxième Eurorégion du Conseil de l'Europe concerne le bassin de la Mer noire et a été fondée il y a tout juste 6 mois. Jusqu’à présent, 15 municipalités de 5 pays membres du Conseil de l'Europe (Roumanie, Turquie, Ukraine, Bulgarie et Grèce) ont signé les statuts adoptés lors de la conférence de Varna, Bulgarie, en septembre de l’an dernier. En adhérant à cette association, les membres s’engagent non seulement à œuvrer pour un développement durable du bassin de la Mer noire et à le protéger, mais également à investir dans les énergies renouvelables, à élaborer des programmes multilatéraux dans les domaines de la culture, des sciences, de l’éducation, de la santé, du sport et de la jeunesse tout en développant la stabilité démocratique.

L’Eurorégion de la Mer noire du Conseil de l'Europe démontre que la coopération interculturelle doit être encouragée avec tout autant de vigueur que les partenariats économiques, et même, pour ne pas mâcher mes mots, je dirais que la coopération socio-culturelle aux niveaux local et régional est, dans beaucoup de cas, une condition préalable à une coopération économique réussie. En ces temps de crise, ce concept devrait servir de Leitmotif pour notre chemin commun vers, nous l’espérons tous, un avenir plus positif.

Je vous remercie de votre attention!