28th Session of the Congress of Local and Regional Authorities – 24-26 March 2015

Speech by Mr Florencio Chicote, Coordinator of the Berlin Action Plan against Homophobia and Transphobia within the Berlin Antidiscrimination Office

Guaranteeing LGBT people’s rights: a responsibility for Europe’s towns and regions

Strasbourg, 25 March 2015

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Vielen Dank Herr Präsident.

Sehr geehrte Kongressmitglieder,

sehr geehrte Damen und Herren,

Zunächst möchte ich mich für die Einladung bedanken, heute hier im Kongress der Gemeinden und Regionen die Möglichkeit zu bekommen, Ihnen die Berliner Maßnahmen gegen Homo- und Transphobie sowie zur Förderung der Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt vorstellen zu dürfen.

Ein Markenzeichen Berlins ist neben vielen anderen auch seine gesellschaftliche Vielfalt.

Für kaum eine andere Stadt in Deutschland trifft die Aussage „Stadt der Vielfalt“ mehr zu als für Berlin:

·         so sind in Berlin zum Beispiel mehr als 250 Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften angesiedelt,

·         Menschen mit familiären Wurzeln aus über 190 Ländern leben hier und

·         Berlin besitzt eine der größten schwul-lesbischen Communities in Europa.

Schätzungen gehen von ca. 250.000 Lesben, Schwule und Bisexuelle aus, die in Berlin leben. Davon sind etwa 40.000 älter als 65 Jahre. Etwa 80.000 sind junge Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren. Hinzu kommen trans- und intergeschlechtliche Menschen, deren Zahl nicht geschätzt werden kann. Und insgesamt gibt es in Berlin rund 13.000 eingetragene Lebenspartnerschaften.

Diese Vielfalt findet auch Ausdruck in Kultur, in der Wirtschaft, im Tourismusbereich, den vielfältigen Angeboten für Berlinerinnen und Berliner und wie ich meine, in einem guten gemeinsamen Miteinander der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen.

Berlin verfügt seit 1985 über das „Schwule Museum“, das weltweit eine der größten und bedeutendsten Institutionen für die Archivierung, Erforschung und Vermittlung der Geschichte und Kultur der LSBTI-Communities ist.

Seit 2012 verfügt Berlin auch über den „Lebensort Vielfalt“, ein Ort an dem pflegebedürftige schwule Männer zusammen leben mit jüngeren schwulen und heterosexuellen Frauen und Männern und das „Regenbogenfamilienzentrum“, das sich an Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender mit Kindern und Kinderwunsch richtet.

Auch erwähnen möchte ich die „Pink Pillow Initiative“, ein Netzwerk von Hotels, das die Attraktivität der Stadt als Reiseziel für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle stärken soll. Das sind nur einige Beispiele.

Das war jedoch nicht immer so.

Besonders grausam war die Verfolgung in der Nazi-Zeit, nach 1945 galt in der Bundesrepublik Deutschland die NS-Fassung des Paragrafen 175 Strafgesetzbuch weiter. Bis zum Jahr 1960 wurden insbesondere schwule Männer staatlich verfolgt und verurteilt.

Ein wichtiges Jahr war für Berlin das Jahr 1989.

Im November 1989 fielen die Berliner Mauer und damit die Teilung Deutschlands und Europas. Zur gleichen Zeit wurde in Berlin mit dem Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen (heute: Fachbereich LSBTI) erstmals eine staatliche Stelle in Deutschland geschaffen, die für die Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) arbeitet.

Seither ist dieser Fachbereich dafür bekannt, dass hier aktuelle rechtliche und politische Themen aufgegriffen, öffentlich gemacht und im Hinblick auf politischen Handlungsbedarf diskutiert werden.

Damals standen die Themen „Lebenspartnerschaften, Schulaufklärung, Gewalt“ im Mittelpunkt, später dann „Regenbogenfamilien, Gedenken an die Verfolgung in der NS-Zeit, Trans- und Intergeschlechtlichkeit“, um nur einige zu nennen.

Seit 2007 ist der Fachbereich für die Belange von LSBTI Teil der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS). Dadurch ist die Arbeit des Fachbereichs in die merkmalsübergreifende Antidiskriminierungsarbeit integriert.

Seit 2009 gibt es eine weitere Entwicklung in der LSBTI-Politik des Berliner Senats.

Das Berliner Abgeordnetenhaus hat einstimmig die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt!“ beschlossen und den Senat gebeten, Maßnahmen gegen Homo- und Transphobie zu entwickeln.

Ein Jahr darauf, in 2010, hat der Berliner Senat ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgelegt, der in den ersten Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie in der Bundesrepublik Deutschland mündete.

Der Aktionsplan wurde und wird in enger Zusammenarbeit von Senatsverwaltungen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren entwickelt, weiterentwickelt und in die Tat umgesetzt.

Seither wurden in den Handlungsfeldern

·         Jugend und Bildung,

·         Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt,

·         Wandel der Berliner Verwaltung,

·         Verbesserung der Erkenntnisgrundlagen,

·         Förderung des gesellschaftlichen Dialogs und

·         der rechtlichen Gleichstellung

weitere Fortschritte erzielt.

Ich möchte Ihnen kurz anhand eines Beispiels Maßnahmen und Ergebnisse erläutern.

Beispiel 1: Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt:

Um effektiv gegen homo- und transphob motivierter Diskriminierung und Gewalt vorzugehen und Betroffene professionell zu unterstützen, wurde in Berlin ein Netz gespannt und weiterentwickelt, mit Verwaltung, den Ermittlungsbehörden und großen Teilen der Zivilgesellschaft:

               Polizei: Ansprechpersonen für LSBTI bei der Polizei seit xxx; veröffentlicht die polizeiliche Kriminalstatistik zu politisch motivierter Kriminalität; verfügt über eine allgemeine zentrale Beschwerdestelle, die zu LSBTI Themen sensibilisiert ist und im Rahmen der internen Revision arbeitet.

               Staatsanwaltschaft: seit 2012 Ansprechpersonen für LSBTI bei der Berliner Staatsanwaltschaft; Änderung der Ausführungsvorschriften der Staatsanwaltschaft, wodurch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung grundsätzlich anzunehmen ist; Einstellungen unter Verweisung auf den Privatklageweg bzw. wegen Geringfügigkeit sind danach regelmäßig ausgeschlossen.

               Zivilgesellschaft: Opferberatungsstellen für von Gewalt und Diskriminierung betroffene Lesben, Schwule, Transgeschlechtliche sowie Regenbogenfamilien.

Hervorzuheben ist an dieser Stelle die Bedeutung von vertrauensbildenden Maßnahmen beispielsweise von Seiten der Polizei und Staatsanwaltschaft bei LSBTI Personen und Organisationen.

Denn wenngleich dieses Netz gut funktioniert, wird dennoch von einer hohen Dunkelziffer von Straftaten ausgegangen, weil Betroffene entweder keine Anzeige stellen (möchten) oder auf Beschwerden verzichten.

Darüber hinaus fördert der Berliner Senat auch Maßnahmen, die in anderen, wichtigen Bereichen wie dem Sport, insbesondere im Fußball oder anderen Bereichen Homo- und Transphobie vorbeugen sollen.

In der Zwischenzeit haben auch andere Bundesländer Aktionspläne entwickelt. Und dennoch: auch in Deutschland weht immer wieder ein heftiger „Gegenwind“. Uralte Vorurteile werden herausgeholt und Hetze verbreitet.

Diskriminierungen, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen gehören für viele LSBTI nach wir vor zum Alltag.

Der Weiterentwicklung des Berliner Aktionsplans gegen Homo- und Transphobie misst der Berliner Senat eine bedeutende Rolle zu. Sie findet sich explizit auch in den Richtlinien seiner Regierungspolitik wieder.

Aktuelle Schwerpunktthemen bei der Weiterentwicklung sind:

               die Stärkung der Antidiskriminierungs- und Antigewaltarbeit,

               die Geschichtsdokumentation von LSBTI in Berlin, ausgehend vom damaligen § 175 Strafgesetzbuch,

               die Stärkung der Selbstbestimmung trans- und intergeschlechtlicher Menschen und

               das Internationale Engagement.

Diesem letzten Punkt misst Berlin als Regenbogenstadt ebenfalls eine große Bedeutung zu.

Der Regenbogen ist ein Symbol, das Buntheit und Vielfalt ausdrückt. Er ist zum Symbol einer breiten LSBT Community geworden und dient als anschauliche sprachliche Kurzform, um Offenheit für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu zeigen.

So wird auch in diesem Jahr in Berlin, am 05. Juni 2015, traditionell die Regenbogenfahne von dem Regierenden Bürgermeister, Michael Müller, gehisst.

Den Regenbogen haben sich im Jahr 2013 über 20 europäische Städte zu Eigen gemacht und ein Netzwerk der Rainbow-Cities gegründet. Berlin ist als Gründungsmitglied natürlich mit dabei. Im letzten Jahr trafen sich 16 Regenbogenstädte auf Einladung der Stadt Wien zum ersten Arbeitstreffen. Das nächste Treffen findet im November dieses Jahres in Genf statt. Neben dem konkreten Erfahrungsaustausch von good-practices, geht es auch darum, gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln.

Als international vernetzte Regenbogenstadt möchte Berlin damit auch weltweit deutlich zeigen, dass Berlin eine Stadt ist, die für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen ein guter Ort ist.

Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität sind willkommen, die Angebote der Stadt zu nutzen, und sie sind gefragt, sich aktiv einzumischen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.