AGEG – Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen

Kloster Seeon (Landkreis Traunstein), 12. März 2007

Rede von Herrn Jürgen Stadelmann,
Mitglied des Ausschusses für nachhaltige Entwicklung
des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Sehr geehrte Damen und Herren,

Liebe Freunde,

Zunächst möchte ich mich für die Einladung bedanken, zu diesem Forum zu sprechen, das von der Arbeitsgemeinschaft europäischer Grenzregionen organisiert wurde, mit welcher der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas seit langem äußerst gewinnbringende Beziehungen pflegt. Dies ist keine Überraschung, wenn man sich vor Augen führt, dass diese Beziehungen auf gemeinsamen Zielsetzungen des Kongresses und der Arbeitsgemeinschaft basieren, die eine Stärkung der grenzüberschreitenden Kooperation, die interregionale Entwicklung, die Dezentralisation und Regionalisierung unseres Kontinents sowie die Umsetzung von integrationspolitischen Ansätzen in den Bereichen Umwelt und Raumplanung beinhalten.

Das zentrale Thema dieser Arbeitsgemeinschaft ist die ländliche Entwicklung, das gleichzeitig das wichtigste Thema ist, mit dem sich der Kongress beschäftigt, und insbesondere sein Ausschuss für nachhaltige Entwicklung, das ich hier vertrete. Es ist offensichtlich, dass das Ziel der Aufrechterhaltung vitaler und produktiver ländlicher Gemeinschaften nicht erreicht werden kann, ohne das Engagement der Gemeinden und Regionen, die auf allen Ebenen der Planung und Umsetzung von Programmen zur ländlichen Entwicklung eingebunden werden müssen.

An diesem Punkt kommt der Kongress der Gemeinden und Regionen ins Spiel, der Teil des Europarats ist, dieser wahrhaft paneuropäischen Organisation mit 46 Mitgliedsstaaten, die sich von Reykjavik bis Ankara und von Lissabon bis Wladiwostok erstrecken. Der Kongress ist ein Vertretungsorgan von mehr als 200.000 kommunalen und regionalen Gemeinden unseres Kontinents, die ihnen auf der bürgernahsten Ebene Gelegenheit zur politischen Kooperation, Politikgestaltung und für den Austausch von besten Praktiken gibt. Die Vielfalt der ländlichen Gebiete, die wir abdecken, reicht von extrem dünn besiedelten Regionen in Sibirien bis zu dicht besiedelten ländlichen Gebieten, wie z. B. den Niederlanden.

Wie ich bereits erwähnte, genießen ländliche Themen und die besondere Situation der Grenzregionen Priorität auf der Agenda des Europarats und des Kongresses. Wir sind uns bewusst, dass viele ländliche und am Rande gelegene Gebiete mit besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben und dass demographische Trends, Globalisierung und Klimawandel diese noch verschlimmern. Unsere Politik konzentriert sich auf integrierte Ansätze zur Umweltpolitik, die darauf abzielen, Wege zur Verbesserung der Lebensqualität in ländlichen und dünn besiedelten Gebieten aufzuzeigen.

Diese Ansätze erhalten Substanz durch einige wichtige Instrumente des Europarats.  Die Europäische Konvention über grenzüberschreitende Kooperation, die seit über 25 Jahren in Kraft ist, ermutigt und fördert grenzüberschreitende Abkommen zwischen Gemeinden und Regionen. Sie ist die treibende Kraft hinter vielen grenzüberschreitenden Verbänden und Vereinigungen kommunaler Stellen, die bei den Themen regionale Entwicklung, Umweltschutz und Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen zusammenarbeiten.

Der Kongress, der sehr am Ausbau und der Konkretisierung einer solchen Kooperation interessiert ist, arbeitet seit vielen Jahren an der Entwicklung einer neuen Generation von Euroregionen, die nationale, regionale und kommunale Stellen sowohl aus der EU als auch aus Nicht-EU-Staaten zusammenbringen. 2006 haben wir die Euroregion Adria ins Leben gerufen, die vom Adriatischen Rat geleitet wird und ihren Sitz in Pula, Kroatien hat. Wir arbeiten momentan an der Euroregion Schwarzes Meer, die auch Armenien und Aserbaidschan einschließen wird. Und zu guter Letzt haben wir eine Reflexionsgruppe für die Euroregion Ostsee eingerichtet.

In gleicher Weise setzt sich der Kongress für die Einrichtung eines Zentrums für die  interregionale und grenzüberschreitende Kooperation in St. Petersburg ein, um eine Brücke zwischen den europäischen Regionen zu bauen, ob diese nun gemeinsame Grenzen haben oder nicht, und um eine politische, wirtschaftliche und kulturelle Kooperation zwischen kommunalen, regionalen und nationalen Verwaltungsstellen zu fördern.

Ein weiteres Rechtsinstrument, das uns zur Verfügung steht, ist die Europäische Landschaftskonvention, die das erste internationale Dokument ist, das die Qualität der Landschaft mit der Lebensqualität europaweit verbindet. Seit ihrer Verabschiedung im Jahr 2000 wurde sie bis heute durch 26 Staaten ratifiziert. Die Konvention betont die wichtige Rolle lokaler und regionaler Behörden beim Landschaftsschutz, bei Management und Entwicklung. Sie bietet Politikern und Planern ein einzigartiges Werkzeug, um verloren gegangenes oder beschädigtes Kultur- und Naturerbe zu bewahren, wiederherzustellen und neu zu erschaffen und den Landschaftsschutz zu stärken.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Polyzentrische Entwicklung und Netzwerke werden häufig als ein Mittel zur Reduzierung der wachsenden territorialen Unterschiede betrachtet, die eine Gefahr für den territorialen Zusammenhang Europas darstellen. Die Europäische Ministerkonferenz für Raumplanung (CEMAT), die vom Europarat eingerichtet wurde, hat kürzlich eine Resolution über diese Netzwerke und Partnerschaften verabschiedet. Durch ihren Aufbau fördern diese Netzwerke die horizontale und vertikale Kooperation sowohl zwischen verschiedenen Regierungsebenen als auch mit dem Privat- und Freiwilligensektor. Sie haben sich mittlerweile zum Schwerpunkt einer effektiven „Governance“ (politische und administrative Entscheidungs- und Regelungsprozesse) in Europa entwickelt und werden z. B. zur Verbesserung der Transportinfrastruktur eingesetzt, um die Integration peripherer und dünn besiedelter Gebiete zu verbessern.

Wie ich bereits zu Beginn sagte, die Probleme ländlicher Entwicklung und von Grenzregionen werden vollständig im Arbeitsprogramm des Ausschusses für nachhaltige Entwicklung des Kongresses berücksichtigt. Wir untersuchen zur Zeit die Frage von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in ländlichen Gebieten, um einer Abwanderung aus und Entvölkerung von ländlichen Gebieten vorzubeugen, die langfristige Lebensfähigkeit kommunaler Geschäftsbereiche sicherzustellen und um die kommunale Beschäftigung zu fördern.

Es ist offensichtlich, dass wir territoriale Politikansätze benötigen, um das Wirtschaftpotenzial und die soziale Lebensqualität in ländlichen Gebieten zu stärken und die darauf abzielen, einen allgemeinen Zugang zu Transport- und Kommunikationsangeboten, Bildungsangeboten, Gesundheits- und Verwaltungsdiensten und allen weiteren wesentlichen Dienste zu schaffen. In diesem Kontext freuen wir uns auf Ihre Beiträge zu diesem Thema, da wir momentan einen diesbezüglichen Bericht vorbereiten.

Für ländliche Gemeinden stellen Entvölkerung und die Überalterung der Bevölkerung zusätzliche Gefahren zu den bereits nicht zu unterschätzenden Herausforderungen dar, mit denen sie sich aufgrund der geografischen Lage, der wirtschaftlichen Probleme und der Infrastrukturmängel konfrontiert sehen. Der Ausschuss für nachhaltige Entwicklung widmet sich diesen Fragen insbesondere auch in seiner Arbeit über periphere und dünn besiedelte Regionen, in denen die Infrastruktur häufig nicht die Effizienzanforderungen erfüllt, was eine geringe Investitionsbereitschaft, einen Mangel substanzieller Wirtschaftsbetriebe, hohe logistische Kosten, Wettbewerbsschwierigkeiten und eine hohe Arbeitslosigkeit nach sich zieht. Wir sind der Überzeugung, dass regionale Entwicklungsmodelle basierend auf dem polyzentrischen Ansatz helfen werden, kommunale Gemeinschaften in die globale Wirtschaft und eine nachhaltige Entwicklung zu integrieren. So kann z. B. die Entwicklung einer Transportinfrastruktur für die kommunale Integration am Rande liegender und dünn besiedelter Arbeitsmärkte die Chancen dieser Gemeinden erhöhen, von verbesserten Zugangsmöglichkeiten von außen zu profitieren.

Die Frage der Nachhaltigkeit unserer Gemeinden hat in den letzten Jahren ein erhebliches Gewicht erlangt, was zu einer Stärkung der Aufgaben und der Verantwortung der Gemeinden und Regionen geführt hat. Die Prioritätensetzung des Ausschusses für nachhaltige Entwicklung verdeutlicht, dass wir engagiert die Behörden dieser Gemeinden und Regionen sowie die Entwicklung guter Praktiken im Bereich der nachhaltigen Entwicklung unterstützen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich möchte meine Rede gern damit abschließen, nochmals die wichtige Partnerschaft zwischen dem Kongress und Ihrer Arbeitsgemeinschaft zu betonen, sowohl in unseren Netzwerken als auch in unseren Ideen und Überlegungen zu den Fragen, die unsere Bürger betreffen, nicht zuletzt im Bereich der ländlichen Entwicklung. Ich bin sicher, dass diese Arbeitsgemeinschaft erheblich zu unseren geplanten gemeinsamen Aktivitäten beitragen wird und ich freue mich auf die heutigen Diskussionen.

Vielen Dank.